Bericht Nr. 79 – T.M. 1945

Reichenberg
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Bericht Nr. 79

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Massaker auf dem Tuchplatz am 3. Mai 1945
Berichter: T. M.

Lage von ReichenbergIch wohnte in Reichenberg im Hochhaus der “Reunione adriatica sicurta”. Am 13. Mai 1945 lag ich mit hohem Fieber und Angina zu Bett. Um ½6 Uhr in der Früh wurde mit Gewehrkolben an unsere Türe geschlagen, draußen standen 2 junge Burschen in Afrika-Uniform, die alle Hausbewohner, so auch mich, ohne uns Zeit zum Ankleiden zu geben, aus dem Hause trieben. Meine Frau bat die Beiden, mich doch anziehen zu lassen, worauf sie ihr entgegneten: “Du deutsche Hure, brauchst dich nicht viel anzuziehen, in einer Stunde seid ihr alle kalt”. Wir mußten die neun Stockwerke aus unserer Wohnung zufuß heruntergehen. Bei dieser Gelegenheit gab es einen großen Tumult, Gebrüll, Schüsse, Hilferufe, Schreie.

Rechts und links vor den Hausdurchgang in der Färbergasse, gegenüber dem Bezirksgericht, mußten sich alle herausgetriebenen Hausbewohner in Reih und Glied aufstellen. Fast alle waren nur ganz spärlich bekleidet.

In der Färbergasse rannten Tschechen auf und ab, Augen und Gewehrmündungen auf die Fenster gerichtet. Ein Trupp Tschechen ging zur Türe der Krankenkasse, ging herein und kam grinsend wieder heraus. Beim Schließen der Türe sah ich, daß sie einen Leichnam, der im Vorhaus lag, mit dem Fuße zur Seite stießen.

Ein Mann, der in der Färbergasse Richtung Tuchplatz ging, wurde angehalten und mit vorgehaltener Schußwaffe gezwungen, Schuhe, Socken und Rock auszuziehen, sie auf die Erde zu legen, dazu die gefüllte Aktentasche und dann jagten sie ihn in der Richtung, aus welcher er gekommen war, wieder davon.

Nach einiger Zeit mußten alle Bewohner des Hauses, das auch ich bewohnte, es waren ca. 60 Parteien, zum Tuchplatz marschieren. Die Menge der Tschechen hatte sich vergrößert. Besonders auffallend war ein Mann mit wilder schwarzer Mähne, der mit seiner Nagaika wild in die Menge der Deutschen hereinschlug. Dies war der Auftakt für die Mißhandlungen durch die Revolutionsgarde. Menschen, insbesondere Männer, die aus der Straßenbahn ausstiegen oder des Weges daherkamen wurden geschlagen und ausgeplündert, viele auch zu uns gestellt. Wir wurden nach Geschlechtern getrennt und ich stand auf der Seite des Donauhofes. Die mißhandelnden Revolutionsgardisten waren meist jüngere Leute von ca. 18-22 Jahren. Plötzlich kam das Kommando, alle Männer müßten sich an die Wand der Häuserreihe zwischen Körber und der Bank der deutschen Arbeit aufstellen. Ich hatte dort schon einen jungen Mann mit dem Gesicht zur Erde in einer Blutlache tot liegen gesehen. Sodann erschienen neue RG-Leute mit automatischen Feuerwaffen und befahlen den an der Wand Stehenden, die Schuhe auszuziehen, sie neben sich hinzustellen und barfuß stehen zu bleiben. Dabei wurde mit Gewehrkolben, Ohrfeigen, Fußtritten und auch einem Bergstock geprügelt.

Ein ca. 16-jähriger Junge wurde bis zur Unkenntlichkeit mißhandelt, er blieb als Klumpen, zusammengekrampft auf der Erde liegen. Ich selbst hatte gleich meine Schuhe ausgezogen und wurde nicht mißhandelt. Sodann forderte die RG, den Oberkörper zu entkleiden und wir mußten uns mit erhobenen Armen, Gesicht zur Wand aufstellen. Hinter jedem so dastehenden Deutschen stand ein junger RG, die Mündung seiner Schußwaffe auf ihn gerichtet. Alle vor mir Aufgestellten waren verschwunden, ich weiß nicht, wohin sie gekommen sind. Als der tschechische Kommandant mit 4 höheren Offizieren bis zu mir gekommen war, wurde er plötzlich abberufen. Als er zurückkam, wollte er meine Papiere sehen, ich reichte ihm meinen grünen Ausweis mit der großen “P” (Pracujíci). Ich fragte ihn ganz frech, ob ich noch meine anderen Papiere aus meiner Wohnung holen solle, was er mir gestattete. Ich wurde von der vor mir stehenden RG aufgefordert, mich anzukleiden. Die Schuhe nahm ich in die Hand und erreichte endlich den Hauseingang. Ein RG begleitete mich. Wir gingen die 10 Stockwerke zu Fuß herauf, was mir mit meinem Fieber sehr schwer fiel. In meiner Wohnung nahm ich die Papiere und wir gingen wieder herunter. Der RG übergab meine Papiere dem Plukovník, der sie in Ordnung befand. Ich konnte wieder gehen. Meine Frau, die tschechisch konnte, war schon früher nachhause gekommen. Kurz darauf ertönten am Tuchplatz 4 Detonationen, als ich herunterblickte, sah ich 4 Leichen. Es trat bald Ruhe ein, da eine Frau dem russischen Kommandanten im Hotel Imperial die Geschehnisse schilderte, worauf die Erschießungen eingestellt wurden.

Ca. 6 Wochen hausten 700 Mann RG im Hochhaus. Vor jeder Wohnung saß ein RG-Mann und begleitete jeden Wohnungsinsassen sogar auf die Toilette. Unten im Durchhaus saßen Posten, die den Hausinwohnern beim Verlassen des Hauses Scheine ausstellten mit Rückkehrzeit, welche pünktlich eingehalten werden mußte. Alle Wohnungen wurden ausgeplündert. Die Keller des Hauses dienten als Gefängnis der RG.

 

Quelle:
http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/weissbuch/dasd28.html

 

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